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Professor Dr. Gergely Szolnoki Professor Dr. Gergely Szolnoki ist an der Hochschule Geisenheim für Verbraucherforschung und Marktanalyse verantwortlich. Im Interview mit Raffaella Usai berichtet er, worauf es bei der Vermarktung von Piwi-Weinen ankommt - und dass sich die Weinbranche dabei selbst im Weg steht.

Prof. Szolnoki, wo liegt Ihr Forschungsschwerpunkt beim Thema Piwi-Weine?

Szolnoki: Mein Kollege Christoph Kiefer und ich widmen uns im Rahmen des vom Bundesprogramm Ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft (BÖLN) finanzierten Verbundprojektes VitiFit der Frage, wie die Akzeptanz und Positionierung von Piwi-Weinen verbessert werden kann. Dabei versuchen wir die gesamte Wertschöpfungskette mit einzubeziehen, sprich Winzer, Händler, Verbände und Endverbraucher.

Gibt es bereits Strategien, die für die Vermarktung von Piwi-Weinen empfohlen werden?

Szolnoki: Nein, bislang gibt es noch keine Strategien. Diese sind aber das Ziel unserer Arbeit. In der ersten Phase des Projekts haben wir mit vielen Winzern und Händlern gesprochen. Vor allem die Händler sind sehr zurückhaltend bei dem Thema. Und ich spreche sowohl von Fachhändlern als auch von Einkäufern des LEH und Gastronomen. Alle berichten, dass sie bisher wenig Nachfrage von Konsumenten spüren. Und das hat einen Grund: Der Großteil aller Piwi-Weine in Deutschland wird ab Hof verkauft. Die Direktvermarktung hat einen entscheidenden Vorteil: Auf dem Weingut kann der Winzer dem Kunden die Weine erklären, ihm den Unterschied zwischen Piwis und traditionellen Rebsorten-Weinen anhand der Verkostung klarmachen. Diese Aufklärung ist von großer Bedeutung. Denn die Konsumenten haben keine Ahnung, was Piwis sind.

Die beiden Winzerinnen Eva Vollmer und Hanneke Schönhals aus Rheinhessen wollen mit ihrem Projekt „Zukunftsweine“ mehr Popularität für Piwis erreichen. Denken auch Sie, dass das negative Image mit dem sperrigen Namen zu tun hat?

Szolnoki: Absolut. Das ist der erste wichtige Punkt, den wir bereits im ersten Jahr unseres Projekts herausgefunden haben. Der Ottonormalverbraucher fühlt sich von den Worten „Pilz“ und „Widerstand“ nicht angesprochen. Wir haben eine Befragung unter Winzern und Händlern gemacht und es hat sich herausgestellt, dass der Begriff „nachhaltige Rebsorten“ viel besser ankommt. Diesen Aspekt werden wir in unsere Empfehlungen aufnehmen. Tatsache ist: Die Winzer und die Weinbranche müssen innovative Kommunikationsstrategien für Piwis finden. Und das Projekt „Zukunftsweine“ ist ein perfektes Beispiel dafür, denn es erklärt sich fast von selbst.

Innovative Rebsorten brauchen innovative Kommunikation.

 

Nachhaltigkeit und Klimawandel sind zwei wichtige Themen, die viele Konsumenten beschäftigen. Piwi-Weine treffen absolut den Nerv der Zeit. Mein Eindruck ist, dass vielmehr die Weinbranche selbst das Problem ist, warum sich diese Weine so schlecht verkaufen.

Szolnoki: Ja. Leider sind die meisten Händler und Sommeliers noch nicht von Piwi-Weinen überzeugt. Ich finde es sehr schade, dass es da so wenig Neugier gibt. Die Weinbranche an sich ist sehr konservativ. Das sollte sie im 21. Jahrhundert nicht mehr sein. So kommen wir nicht voran, es braucht – vor allem bei „neuen Rebsorten“ – eine Öffnung. Aber ich bin fest überzeugt, dass früher oder später auch die Multiplikatoren das Thema ernst nehmen werden.

Gibt es noch zu wenig exzellente Piwis?

Szolnoki: Die Qualität entwickelt sich derzeit. Damit meine ich vor allem Weine aus Piwi-Rebsorten der zweiten und dritten Generation, nicht unbedingt Regent – wobei es da glücklicherweise auch Ausnahmen gibt. Nehmen wir zum Beispiel Cabernet Blanc, eine großartige Rebsorte, die gleich zwei Vorteile hat: Zum einen kann der Wein mit seiner Aromatik absolut mit einem Sauvignon Blanc mithalten. Zum anderen hat diese Rebsorte einen super Namen. Wir haben mit Konsumenten einige Rebsorten-Namen getestet. Und Cabernet Blanc war unter den bekanntesten Rebsorten, obwohl sie noch gar nicht so lange existiert.

Braucht es hohe Bewertungen von internationalen Kritikern, damit die Weine Beachtung finden?

Szolnoki: Wenn man bedenkt, wie lange es gedauert hat, bis zum Beispiel der Gambero Rosso gewisse neue Weine ernst genommen hat - da müssen sich die Piwi-Winzer noch ein bisschen gedulden. Je mehr Piwi-Weine in den Handel kommen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie wahrgenommen werden. Und da zurzeit viele mit diesen neuen Rebsorten experimentieren und versuchen herauszufinden, wie man noch bessere Weine mit denen erzielen kann, wird es nicht mehr lange dauern, bis einige von diesen Weinen Top-Bewertungen in internationalen Wettbewerben erreichen.

Das Südtiroler Weingut Lieselehof erzeugt ausschließlich Piwi-Weine. In ihrer Kommunikation setzt die Familie Morandell bewusst auf Luxus, Glitzer und Glamour. Könnte das ein Weg sein, um Piwis zu positionieren?

Szolnoki: Ja, natürlich. Es ist zwar ein anderes Narrativ als beispielsweise das der „Zukunftsweine“, aber es ist innovativ und erregt Aufmerksamkeit. Wenn die Morandell-Zwillinge es schaffen, ihre Weine im Luxus-Segment zu positionieren, profitiert davon die ganze Piwi-Branche.

Wie kann man den Verbraucher stärker sensibilisieren?

Szolnoki: Das Problem ist die Risikobewertung beim Konsumenten. Wenn er vor dem Weinregal steht, passiert das innerhalb einer Sekunde, bis ein Urteil über den Wein gefällt wird. Der Konsument hat weder Zeit noch viel Ahnung – in diesem Fall arbeitet der Autopilot im Kopf. Er will das Risiko einer Fehlentscheidung minimieren. Die so genannten Schlüsselinformation werden in seinem Kopf gescannt: Region, Herkunft, Preis, aber eben auch die Rebsorte. Am Ende kauft der Verbraucher das, was er kennt oder ihm bekannt vorkommt. Und das ist das Riesen-Dilemma für die Piwis. Obwohl Preis und Qualität stimmen, dringen sie noch nicht ausreichend zum Weinliebhaber durch. Aber nachhaltige Weine werden immer mehr nachgefragt werden, da bin ich sicher. Über diesen Druck von außen wird die Branche gezwungen sein, aufzuklären.

Werden künftig mehr Winzer Piwi-Weine ins Sortiment nehmen?

Szolnoki: Ich gehe davon aus, dass in Zukunft Piwi-Weine auch international immer mehr Interesse hervorrufen werden. Wir sehen hervorragende Beispiele aus Italien, Frankreich und auch der Neuen Welt. Dort reagiert der Weinmarkt schneller. Zurzeit beschäftigt die Winzer die Nutzung und damit einhergehend die Reduktion des Pflanzenschutzmittels Kupfer. Da es zurzeit so gut wie keine Kupfer-Alternativen gibt, landet man schnell bei Piwi-Rebsorten als Antwort. Aktuell mangelt es bei den Winzern noch an Erfahrung mit diesen Sorten. Viele wissen gar nicht, wie sie mit ihnen im Keller umgehen sollen und welche Produkte daraus entstehen können.

Wie können Winzer Piwi-Sorten positionieren?

Szolnoki: Es gibt mehrere Möglichkeiten. Die eine ist der reinsortige Ausbau und der anschließende Verkauf unter dem Rebsorten-Namen. Die Winzer können aber auch auf Cuvées mit Fantasie-Namen setzen, bei denen sie einen Piwi-Anteil von 50 Prozent nutzen. Oder aber einen Verschnitt machen, zum Beispiel einen Sauvignon Blanc mit zehn Prozent Cabernet Blanc mischen. Außerdem kann man Piwis zur Herstellung für Sekt-Grundwein verwenden, auch wenn natürlich nicht alle Sorten dafür geeignet sind. Für Pet-Nats werden sie schon erfolgreich eingesetzt. Es bietet sich einiges an. Wenn ich Winzer wäre, würde ich ein Konzept fahren, dass mehrere Strategien umfasst.

Gibt es einen regen Austausch zwischen Piwi-Winzern?

Szolnoki: Noch zu wenig. Es wäre wünschenswert, dass die Winzer besser und großzügiger mit Informationen und Erfahrungen umgehen. Davon können alle profitieren. Und, wie die Ergebnisse unserer Studien zeigen, wünschen sich die Winzer das auch.

Es gibt wenig ansprechendes Bildmaterial zum Thema Piwi-Weine. Auch als Weinjournalist steht man vor der Herausforderung, das Thema ansprechend für seine Leser rüberzubringen.

Szolnoki: (lacht) Ja, Sie haben vollkommen recht. Die visuelle Kommunikation ist die halbe Miete. Mit einer schönen Ausstattung und Werbung hat man den Verbraucher sofort auf seiner Seite. Leider ist man beim Thema Piwis noch längst nicht so weit. Ich bin aber guter Dinge, mit ein bisschen Zeit und Motivation wird sich das bald ändern.

Fotos: © Hochschule Geisenheim; Header © 123rf.com

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